Frau Klöti, viele soziale Projekte im Quartier starten mit besten Absichten – und scheitern dennoch. Woran liegt das?

Oft am Wie, nicht am Was. Die Idee selbst ist meist nicht das Problem – sondern der Weg, auf dem sie umgesetzt wird. In bestehenden Nachbarschaften gibt es soziale Muster, ungeschriebene Regeln, sensible Gleichgewichte. Wenn jemand eine Initiative startet, ohne diese zu berücksichtigen oder die Gemeinschaft einzubinden, kommt es rasch zu Reibung. Dann geht es weniger um die Sache als um das Gefühl: Wer entscheidet hier eigentlich?

Was genau macht Quartiere so empfindlich gegenüber neuen Ideen?

Viele Menschen leben über Jahre im gleichen Umfeld, bauen Beziehungen auf, entwickeln ein feines Gespür dafür, wie Dinge «laufen». Wenn etwas Neues dazukommt, verändert sich etwas im gemeinsamen Gefüge. Auch wenn die Veränderung sinnvoll wäre, wird sie als Bruch erlebt.

Hilft die Integration der Anwohnenden bei der Akzeptanz?

Absolut. Integration heisst nicht, dass alle alles mitentscheiden müssen. Aber es muss Raum geben für Mitsprache – und für die Möglichkeit, Nein zu sagen oder etwas mitzugestalten. Projekte müssen also partizipativ aufgegleist werden. Wenn jemand einfach loslegt, entsteht schnell der Eindruck: Da nimmt sich jemand zu viel Raum, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Das löst Abwehr aus, selbst wenn das Projekt gut gemeint ist.

Was bedeutet das für Initiant:innen eines sozialen Quartiersprojekt?

Zuerst mal: zuhören. Herausfinden, was es schon gibt, welche Bedürfnisse vorhanden sind – und wer die zentralen Bezugspersonen sind. Das kann ganz informell sein: Gespräche im Treppenhaus, beim Briefkasten. Fast immer lohnt es sich, eine offene Einladung zu machen: ein Ideenabend, ein Spaziergang durchs Quartier, ein gemeinsames Brainstorming. Wer von Anfang an einbindet, schafft Vertrauen – und vermeidet späteren Frust.

Und wenn man schon losgelegt hat und die Reaktion negativ ist?

Dann lohnt sich ein Schritt zurück. Nicht um aufzugeben – sondern um zu öffnen. Die Frage sollte sein: Wie können wir dieses Projekt gemeinsam weiterentwickeln? Gibt es andere Formen, die anschlussfähiger sind? Manchmal hilft es, Verantwortung zu teilen, einen Beirat zu bilden oder bewusst kleinere Formate auszuprobieren.

Welche Rolle spielt soziokulturelle Animation in solchen Prozessen?

Unsere Aufgabe ist es, solche Prozesse zu begleiten, nicht zu steuern. Wir schaffen Gelegenheiten, wo Menschen ins Gespräch kommen, wo Unterschiede sichtbar werden, aber nicht trennend wirken. Das kann über einfache Aktivitäten geschehen – Kochtreffen, Garteneinsätze, Quartierspaziergänge –, aber auch durch Moderation bei Planungsprozessen oder Aushandlungen. Immer geht es darum, Brücken zu bauen: zwischen Idee und Realität, zwischen Einzelengagement und kollektiver Tragfähigkeit.

Was macht ein soziales Projekt aus Ihrer Sicht wirklich nachhaltig?

Wenn es aus dem Quartier heraus entsteht – und nicht von aussen hineingetragen wird. Wenn es offen bleibt für Veränderung, und wenn es Menschen zusammenbringt, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Soziale Projekte brauchen Geduld, Empathie – und manchmal auch die Bereitschaft, etwas loszulassen, um Platz für Neues zu schaffen.

Und wenn am Ende niemand kommt?

Dann ist das auch eine Antwort. Aber wenigstens eine, die gemeinsam gefunden wurde. Vielleicht entsteht daraus später etwas anderes. Wichtig ist, dass man bereit ist, zuzuhören – nicht nur am Anfang, sondern während des ganzen Projekts. So entsteht nicht nur ein Ort, sondern Gemeinschaft.