«Wie»? Das ist meistens die erste Frage, die Schplomi gestellt wird, wenn er sich vorstellt. Dann erzählt er gerne die Geschichte, wie ihm mal aufgefallen ist, dass alles lustiger tönt, wenn man den Anfangsbuchstaben mit «Schpl» ersetzt. «Lass uns heute schplängen, schau mal, die Schplonne scheint, hast du auch Schplass?» Thomi, Schplomi. Offiziell heisst er Thomas Kramer, so nennt ihn aber niemand, und diese Geschichte ist erfunden, genauso wie die Eskapaden des riesigen, regenbogenfarbenen Plüsch-Chamäleons in seinem Wohnzimmer. Es heisst Legolars, kommt aus Dänemark und hat sein Selbst auf einem Ayahuascatrip verloren. Schplomi sagt in seinem breiten Zürcher Dialekt von sich selber, er habe «Uu vill Scheiss im Chopf», mit 38 Jahren sein inneres Kind gut gewahrt. Darum erzählt er auch nicht, dass sein Spitzname eigentlich aus alten Kiffertagen stammt. Er will die Welt etwas bunter, lustiger machen. Mit Humor, Wortspielen, Musik, Kunst den Alltag umgestalten, Freude, mehr Liebe generieren. Ausser mit dem selbst gebauten «Despektierli», einer kleinen Eichhörnchenfigur, die mit Sprungfeder und einem Etikett versehen ist, auf dem «Figg di doch» draufsteht. Das Despektierli will, dass du einen richtig miesen Tag hast.

Die Galerie

Jeder freie Quadratzentimeter seines WG-Zimmers in einem denkmalgeschützten Haus in Wollishofen bezeugt seinen Schaffensdrang. Vor allem den zum Collagieren aller Art. In Bilderrahmen hängen Eigenkreationen oder solche seiner Freundin Marina an den Wänden. Stapel aus Notizheften voller Lyrik und Rap-Texten, die der gebürtige Künsachter seit der Jugend schreibt und Silben mit Takt zu einem Werk formt. Das neu-arangieren ist allerdings nicht auf den zwei-dimensionalen Raum beschränkt. Zum Despektierli auf dem Regal gesellen sich etliche weitere, aus allen Arten von Objekten zusammengesetzten Figuren. Einer Barbie-Puppe, in dessen Gesicht die Nase mit ihrem Fuss ersetzt wurde, wuchert eine Pflanze aus dem Mund. Eine Kreatur mit drei Rüsseln aus Plastikrohren hängt von der Decke. Die riesige Ansammlung von Artefakten, Kunstwerken und Souvenirs aus Schplomis Leben sind alle fein säuberlich verstaut – was auf den ersten Blick wie das totale Chaos wirkt, ist eine bis ins kleinste Detail kuratiere Galerie. Ihr Herzstück ist eine grosszügige DJ-Anlage mit wuchtigen Boxen und weitläufigem Mischpult. Beim Collagieren der Musik, dem Aufnehmen von Sets, kann er seinen selbst-diagnostizierten ADHS-Kopf abstellen. In Wollishofen bleiben diese Kreationen allerdings nicht.

Die Performance

Während er seine Brötchen seit zwanzig Jahren als Set-Leiter beim Film verdient, mischt er an den Wochenenden mit seinem 2016 gegründeten Label «Faffing Horses» das Zürcher Nachtleben auf. Mit mittlerweile dreissig Mitgliedern veranstaltet der Verein regelmässig Partys im Klaus an der Langstrasse, dekoriert den Klub um, manchmal mit einem Plüschtier-Floor, und bietet Musik, Tanz und anderen Kunstformen wie Drag und Bodybuilding eine Plattform. Auf dieser lässt Schplomi unter dem Pseudonym «Atonom» mit dreckigen Downtempo-Beats die Wände erzittern, dabei erscheint er selbst wie eine Kunstfigur. Seine Grossgewachsene, schlanke Gestalt erinnert an einen Zirkusdirektor, das feingliedrige, bärtige Gesicht mit den aufmerksamen, dunklen Augen wird von einer langen, braunen Lockenmähne umspielt, die unter einer Stetson-Melone hervor wallt. In Offiziersjacke und rot-schwarz karierten, weiten Hosen, die Zigarette im Mundwinkel der konzentrierten Miene, ist er ganz in seinem Element. Das Zusammenbringen von Menschen, ein gemeinsames Erschaffen, Herausforderungen meistern, Lösungen finden, einen Ort voller Liebe und Freude zu kreieren ist Schplomis Beitrag an Zürich, die Welt, das Leben aller die mitmachen. Bald muss diese Oase im Zürcher Alltagsstress jedoch ohne ihn auskommen.

Schplomi beim spontanen Auflegen an der Bad Bonn Kilbi, einem Underground-Musik-Festival in
Düdingen (FR), im Juni 2024

Der Abgang

Im Sommer 2023 erleidet Schplomi einen Bandscheibenvorfall, kann nicht arbeiten und liegt ein halbes Jahr lang bei Legolars auf dem Sofa. Diese totale Entschleunigung kommt als Antwort seines Körpers auf ein Fast-Burn-Out, nach zehn Jahren Dauereinsatz. In dieser Zeit zuhause geht es ihm gut. Er, der nun erst recht nicht stillsitzen kann, kennt keine Langweile. Als die Normalität zurückkehrt, kommt auch die Krise, Müdigkeit, Depression. Dem Rücken geht es nicht wirklich gut und er muss in Betracht ziehen, seine Arbeit aufzugeben. Für Schplomi gibt es nur das Präsens, die Vergangenheit und die Zukunft sind nicht echt. Bisher hat er sich vom Leben treiben lassen, hat nie aktiv Entscheidungen getroffen. Nun muss er sich mit seiner Gesundheit befassen und vorausplanen. Als hochsensibler Mensch tendiert er dazu, sich an den Bedürfnissen anderer zu orientieren, ab jetzt gilt es, «So wie dieses Klischee mit der Atemmaske im Flugzeug», zuerst zu schauen, was er braucht. Plötzlich ist sein Leben die Collage, die neu arrangiert werden will. Schnell ist klar, dass die Kunst nicht zur Karriere degradiert wird. Es soll ein Dürfen und Wollen bleiben, kein Müssen sein. Nach einem Jahr Therapie und der Entdeckung von Quinoa folgt ein Entschluss: Er geht weg. Sein Lieferwagen, momentan im Einsatz für die Arbeit und den Transport seiner Party-Requisiten, lässt sich zum Schlaf-Van umfunktionieren, bald soll er Schplomis Zuhause werden. Um aufbrechen zu können, muss er loslassen. Sich aus den Vorständen und Organisationskomitees entfernen, ausmisten und keine Aufträge mehr verbuchen. Das Ziel ist, seine ganzen Habseligkeiten in ein Lager zu packen und einfach loszufahren. Er will herausfinden, was die Welt noch für ihn zu bieten hat. Loslassen fällt ihm schwer, gerade kuratiert eine Freundin seine Texte, damit ein Büchlein daraus entstehen kann. Bis die Reise beginnt, wird collagiert.